PUBLIC – PRIVATE - PARTNERSHIP
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  Künstlernachlässe als Stiftungen in öffentlichen Museen
                                                         
von Lothar Klatt, Ulm
 
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  Das Interesse fast jedes Künstlers geht dahin, seine Werke als Nachlass zusammengehalten, fachkundig verwahrt, präsentiert und wissenschaftlich bearbeitet zu wissen. Doch nicht jeder ist so erfolgreich und vermögend wie z.B. Victor Vasarely, um diese Aufgaben mit einer eigenen Stiftung dauerhaft abzusichern. Strategische Partnerschaften mit öffentlichen Museen und fördernden Unternehmen in Form von Public-Private-Partnership (PPP) sind eine neue Perspektive.

KONKRETE KUNST

In der Konkreten Kunst bezeichnet man die künstlerische Beschäftigung mit den Gesetzen optischer Sinneseindrücke auch als Op-Art. Einer der profiliertesten deutschen Vertreter dieser Kunstrichtung war Ludwig Wilding, der vor kurzem verstarb. Von seinen Objekten mit Scheinbewegungen wurden vor allem seine stereoskopischen Multiple und seine kinetischen Objekte populär. Er schuf 3D-Fotografien und 3D-Filme sowie räumliche Collagen, die in vielen Sammlungen von Museen vertreten sind.

Ludwig Wilding arbeitet mit zwei Bildebenen, die sich überlagern, und bei Interaktion mit dem Betrachter den Eindruck in sich bewegter Objekte vermitteln. Stereoskopische Effekte erzeugen den Eindruck von Raumeingriffen.

KÜNSTLERNACHLÄSSE UND PPP

Öffentliche Museen sind allerdings bei knapper werdenden Mitteln und beschränkten Archivflächen nur an der Überlassung von Einzelstücken oder allenfalls an Werkgruppen, aber fast nie an Gesamtnachlässen interessiert. In dieser Situation kommen strategische Partnerschaften von Künstlern, Museen und privaten Förderern in Betracht (PPP), wenn man die Kriterien für ein echtes Sponsoring und von Corporate Social Responsibility (CSR) anlegt. Im Sinne einer Win-Win-Situation sind die Vorteile für alle Beteiligten klar herauszuarbeiten und zu benennen:

Das Werk des Künstlers wird auf Dauer zusammengehalten, gepflegt und präsentiert.

Die Sammlung des Museums gewinnt an Qualität und wird insbesondere in einem Sammlungsgebiet vertieft und durch weitere Nachlässe aktualisiert.

Das fördernde Unternehmen kann Nutzen von der wachsenden Bedeutung der Sammlung gegenüber seinen Kunden, seinen Mitarbeitern und der Allgemeinheit ziehen.

Diese glückliche Konstellation kam für Ludwig Wilding mit dem Museum für Konkrete Kunst der Stadt Ingolstadt und der Firma Audi zusammen. Intensive Beratung führte anlässlich seines 80. Geburtstag 2007 zur Gründung einer Nachlassstiftung, verbunden mit einer großen Werkschau samt Katalog im Museum für Konkrete Kunst.

Zur Stiftungsgründung und 80. Geburtstag Ludwig Wilding
Werkschau vom 20. Mai – 1. Juni 2007

Auslöser war der Wunsch des Museums, den Bestand auf dem Gebiet der Konkreten Kunst und des Design, der auf die Sammlung von Eugen Gomringer zurückgeht, zu vertiefen. Als Gründungsstifter riefen Ludwig Wilding und seine Frau Ingeborg gemeinsam mit der Stadt Ingolstadt die Stiftung für Konkrete Kunst und Design Ingolstadt ins Leben, die die Aufgabe hat, Künstlernachlässe aus diesen Kunstbereichen aufzunehmen, beginnend mit dem Nachlass Wilding. Hierzu stellt die Stadt das Know-how ihres seit 1992 bestehenden Museums für Konkrete Kunst zur Verfügung. Mit dieser Stiftung wird erstmals in Deutschland eine Institution geschaffen, die sich ausschließlich der Aufnahme und Pflege von Künstler- und Designernachlässen widmet. Es entsteht ein einmaliges Kompetenzzentrum für Theorie und Geschichte der Konkreten Kunst und ihr besonderes Verhältnis zum Design. Dies wird als weiterer Baustein der Public-Privat-Partnership von der Audi AG im Rahmen von Audi ArtExperience durch Finanzierung einer wissenschaftlichen Fachkraft gefördert.


SAMMLUNGSSCHWERPUNKTE

Aufgrund des Erfolges der Werkschau „Ludwig Wilding. Visuelle Phänomene“ plant die Stadt Ingolstadt jetzt für das Museum und die Stiftung einen Neubau. In der Zwischenzeit sind weitere Werkkonvolute von der Stiftung übernommen worden, so das konstruktive Frühwerke von Dieter Hacker, Objekte des Schmuckdesigners Hans Berchtenbreiter, das Archiv der italienischen Gruppo MID, der gesamte künstlerische Nachlass von Rolf Glasmeier sowie bedeutende Arbeiten von Christian Megert. Im letzten Jahr sind die umfangreichen Werkkonvolute der Künstler Hartmut Böhm und Edgar Gutbub hinzugekommen. Die Arbeiten werden der Öffentlichkeit mit jeweils einer Einzelausstellung und einem Katalog vorgestellt. Neben den Werken, die im Bestand der Stiftung für Konkrete Kunst und Design verbleiben, verfügt die Stiftung auch über Arbeiten, die an Museen und Galerien sowie an private Sammler verkauft werden (siehe unter www.konkretekunst-design.de). Die Stiftung steht mit weiteren bedeutenden Künstlern in Verhandlung, so dass die Sammlung auf dem Gebiet der Konkreten Kunst und des Design auch zukünftig an immer größerer Bedeutung gewinnt.

Dieses Stiftungsmodell kann ohne weiteres auf andere Sammlungsgebiete im Bereich der Kunst, des Films und der Architektur übertragen werden, wenn sich die idealtypische Dreierkonstellation von stiftungswilligem Künstler, öffentlicher Einrichtung und förderungswilligem Unternehmen ergibt. Letzteres kann am Beispiel Ingolstadt und der Firma Audi verdeutlicht werden. Im Rahmen eines echten Sponsoringvertrages – also Austausch von Leistung und Gegenleistung – werden Dienstleistungen erbracht und Nutzungsrechte zur Verfügung gestellt, bis hin zur Ausleihe von Kunstwerken. Gerade die in Schwarz und Silber gehaltenen Arbeiten von Ludwig Wilding mit ihrem innovativen technischen Ansatz ergänzen sich gut mit den Produkten der Autofirma Audi. Allerdings sind dies Überlegungen, die bei der konkreten Umsetzung erst am Ende zum Tragen kommen.


VORGEHENSWEISE

Ausgangspunkt ist die Analyse der persönlichen Situation des Künstlers. Es sind die Vermögenswerte zu bestimmen, die er in die Stiftung einbringen kann. Das sind neben dem eigenen künstlerischen Nachlass Sachwerte, wie Arbeiten von anderen Künstlern, und Vermögenswerte, wie Immobilien oder Barvermögen, die zur Erhöhung des Stiftungskapitals beitragen. Ganz wesentlich ist die Festlegung, welche Kunstwerke des Nachlasses dauerhaft dem Stiftungskapital zugeführt werden, und welche Arbeiten durch die Stiftung als Handelsware verkauft werden dürfen. Hierbei sind zum Teil detaillierte Regelungen im Hinblick auf Multiple und Replikate festzuschreiben. Gleichzeitig sind die privaten Verhältnisse des stiftenden Künstlers zu regeln, d.h. Ansprüche von Verwandten sind abzufinden, um die Stiftung nicht angreifbar zu machen. Zur Sicherung der Versorgungsansprüche des (Ehe-) Partners kommt eine Mitstiftung durch ihn in Betracht. Für das öffentliche Museum tritt als Stifter die Kommune auf, deren Verpflichtungen, die sie im Hinblick auf den Nachlass übernimmt, im Stiftungsgeschäft detailliert zu regeln sind. Dadurch wird gewährleistet, dass die Nachlässe nicht nur im Archiv verschwinden. Dies bedeutet für die öffentliche Hand eine langfristige Bindung, die dann leichter fällt, wenn – wie im Falle Ingolstadt – ein Wirtschaftsunternehmen die zusätzliche personelle Ausstattung mitfinanziert.

In diesem Zusammenhang sollte man sich vor Augen führen, dass große Kunstsammlungen und Museumsbestände durch private Stiftungen entstanden sind, wie beispielsweise in Köln, und nicht unerheblich den öffentlichen Bildungsauftrag fördern. Das Besondere bei Nachlassstiftung ist allerdings, dass Künstler und nicht Sammler oder Mäzene zu Stiftern werden, die selbst dafür Sorge tragen, dass ihr Werk für die Nachwelt erhalten bleibt.



Ludwig Wilding + 4. Januar 2010



BERATUNGSKOMPETENZ

Derartige strategische Partnerschaften zu planen und umzusetzen sind mit einem erheblichen Koordinierungsaufwand verbunden, um letztendlich drei verschiedene Bereiche zusammen zu führen. Gerade auf Seiten des Künstlers ist durch das Museum langfristig Vertrauen aufzubauen über Dauerleihgaben, Ausstellungen und Kataloge. Der Künstler sollte dazu einen Berater hinzuziehen, der den Wert seines Werkes einzuschätzen weiß, seine „Sprache“ spricht und seine Interessen gegenüber der Familie, der Stadt und dem Sponsoringpartner vertritt. Dieser sollte aber auch gleichzeitig in der Lage sein, die Interessenslage der öffentlichen Hand und des Unternehmens mitzudenken, um eine gemeinnützige Körperschaft in der Rechtsform einer selbständigen Stiftung den Beteiligten zu erläutern und mit ihnen abzustimmen. In Ingolstadt war dies ein mehrjähriger Weg bis es zur Anerkennung durch die Stiftungsaufsicht kam, und das Finanzamt eine Freistellungsbescheinigung ausstellte. Erst dann konnte die Stiftung selbständig handeln und mit Audi einen Sponsoringvertrag vereinbaren.
 

 
     
     
     
  Rechtshandbuch für Stiftungen
Hierin Publikation Lothar Klatt:

"Kunst und Stiftungen"
"Kunststiftungen als Public-Private-Partnership"
"Fundraising für Stiftungen"
"Kunstsammler stiften eigennützig"
"Kunst wird durch Stiften erst wertvoll"
 

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